Video: Eine kurze Geschichte des CCC - die 1980er
DFÜ, BTX und KGB - wir zeigen die Anfänge des Chaos Computer Club im Video.
Vorspann: Der Chaos Computer Club ist eine galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung. Diese Gemeinschaft setzt sich grenzüberschreitend für Informationsfreiheit und ein Menschenrecht auf ungehinderte Kommunikation ein. Der Chaos Computer Club versteht sich als ein Forum der Hackerszene, eine Instanz zwischen Hackern, Systembetreibern, Politikern und der Öffentlichkeit.
Organisiert ist der Chaos Computer Club in einem Verein nach deutschem Recht – hauptsächlich, um nicht als terroristische Vereinigung zu gelten. Quelle: CCC
1981 - Tuwat
1981, Westberlin. Wer eine alternative zum bürgerlichen Leben suchte, war hier richtig. Junge Menschen besetzten schon seit Jahren leerstehende Häuser, wohnten in Kommunen.
Die heterogene Szene aus Spontis, Hippies, Kommunisten und einer Viehlzahl von linken Splittergruppen organisierte sich zunehmend. Sie hatte nun sogar ein eigenes mediales Sprachrohr: die Tageszeitung Taz. In deren Redaktionsräumen fand im August 1981 der Tuwat Kongress statt. Was tun - gegen Räumungen besetzter Häuser, gegen die Polizeigewalt bei Demonstrationen, gegen die organisierte Unmenschlichkeit - so der Leitspruch des Kongresses.
Erstmals saßen auch Computerfreaks am Tisch, wenn über die Zukunft und Alternativen zum real existierenden Kapitalismus beraten wurde. Das war nicht selbstverständlich - galt doch vielen Linken die elektronische Datenverarbeitung als Mittel zur staatlichen Überwachung. Diejenigen, die da mitdiskutierten und auf dem Tuwat Kongress den Chaos Computer Club gründeten, waren aber keine hochbezahlten Programmierer, angestellt von Banken, Versicherungen oder staatlichen Intitutionen.
Es gab nämlich inzwischen eine Maschine, die den kreativen Umgang mit Computern beförderte und den ersten Unerschrockenen die Angst vor dem großen Bruder nahm. Den Heimcomputer.
Dessen Nutzer hatten schnell verstanden, dass sie Netzwerke knüpfen mussten. Software konnte nur von Mensch zu Mensch auf Datenträgern oder als Ausdruck auf Papier weitergereicht werden. Ein Club erleichterte diesen Hobbyisten den Kontakt mit Gleichgesinnten - wenn diese auch noch politisch auf einer Wellenlänge waren, umso besser.
Der Tuwat-Kongress konnte die Häuserräumungen in Berlin nicht verhindern - sie gipfelten einige Wochen später in gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Aktivisten und Polizei. Klaus Jürgen Rattay, ein 19jähriger Hausbesetzer starb, als er von einem BVG-Bus überfahren wurde.
Was von diesem Spätsommer 1981 blieb: das Entsetzen über den Tod Rattays, das zu einer neuen Politik des Berliner Senats im Umgang mit den Hausbesetzern führte. Und dem CCC.
1984 Offene Netze - warum? Oder CCC'84 nachOrion'64
Seit Februar 1984 gab der Chaos Computer Club die sogenannte Datenschleuder heraus. Darin veröffentlichten die Hacker unter anderem Baupläne zum sogenannten Datenklo. Dieses Modem konnte analog per Anschluss an Telefonhörer oder digital betrieben werden. Die CCC-Hacker waren sich des Gesetzesbruchs ihres Tuns sehr wohl bewusst:
Zitat CCC: In diesem Zusammenhang muss noch einmal deutlich darauf hingewiesen werden, dass Eingriffe in das öffentliche Telefonnetz der Post illegal sind! Alle Geräte, die am Postnetz betrieben werden, müssen den zuständigen Stellen zur Prüfung vorgelegt werden. Die Bestimmungen der Bundespost sind zu beachten.
Im gleich Jahr gelang der sogenannte  Haspa-Coup. Die CCC-Mitglieder Wau Holland und Steffen Wernery hatten beim Bildschirmtext der deutschen Post etwas geschafft, was man heute wohl einen  “Buffer overflow” nennen würde.
Im Datenmüll fanden die Hacker angeblich die Zugangscodes für die Hamburger Sparkasse. Damit kamen sie zwar nicht direkt an das Geld der Bank - aber dank des Passworts “usd 70000”  konnten sie zumindest deren BTX-Konto kapern und für eigene Zwecke nutzen.
So zeigten sie die von der Bundespost stets dementierten Schwächen des Bildschirmtextes auf. Sie erstellten eine kostenpflichtige Seite, die ihnen pro Abruf 9 Mark 97 einbrachte. Dann schrieben sie ein kleines Programm, das die BTX-Seite im Abstand von drei Sekunden immer und immer wieder aufrief. Die Hacker erleichterten die Hamburger Sparkasse innerhalb einer Nacht um 135.000 Mark. Das Geld überwiesen sie zwar umgehend zurück - aber das Ziel war erreicht: Die Bundespost musste ihre Sicherheitssysteme grundlegend überprüfen.
Im Dezember 1984 fand der erste Chaos Communication Congress statt. In einem Hamburger Bürgerhaus diskutierten die rund 400 Teilnehmer unter dem Motto “CCC'84 nach Orion'64.
1985 - Du darfst
Auch in diesem Jahr ging es beim CCC um BTX. Der Club hatte auf seinen Seiten allerlei Informationen zusammengetragen - darunter auch eher schräges Material. Das führte zu einer Rufschädidungsklage der Staubsaugerfirma Vorwerk. Sie fürchtete negative Publicity durch einen Auszug aus einer Dissertation. Das Thema: Penisverletzungen bei Masturbation mit Staubsaugern. Die Klage auf 500.000 Mark Schadensersatz wurde jedoch zurückgezogen.
Im gleichen Jahr erschien die erste Auflage der Hackerbibel, die alle bisherigen Hacks und Informationen des CCC zusammentrug. Sie enthielt neben praktischen Tipps Nachdrucke von Ausgaben der TAP - des Organs der Youth International Party. Diese Telefonkonferenz entstand aus der Hippiekultur und hatte keine formale Mitgliedschaft oder Hierarchie. Ihr Magazin informierte bereits seit den 1970er Jahren zu Phreaking (mit Ph), Hacken, DFÜ, Mailboxen sowie technischen Umbauten an den Telefonanlagen.
Der Chaos Communication Congress stand in diesem Jahr unter dem Motto “Du darfst”.
Der Club begründete das so (Zitat): Die Namensgebung bezieht sich auf ein geplantes Gesetz, das ab 1. Januar 1986 in Kraft treten sollte. Das Gesetz stellt (in seiner gegenwärtigen Planungsform) schon die versehentliche Anwahl einer Datenbank durch eine Fehlverbindung der Post unter Strafe und muss unter anderem deshalb noch überarbeitet werden. Eigentlich sollte es der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität dienen, aber die Materie ist eben so kompliziert, dass die Hacker nebenbei und eher aus Versehen getroffen werden könnten.
Themen waren unter anderem die Entwicklung von Mailboxen als Medium und die Zukunft der Vernetzung. Zu dieser Zeit waren bereits mehr als 250 Bulletin Boards in der Bundesrepublik online. BTX war den Hackern zu klein geworden - es ging um Dezentralisierung.
1986 - Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubyten können
Im April 1986 wurde der CCC offiziell als Verein eingetragen. Ein Antrag auf Gemeinnützigkeit scheiterte jedoch. Trotzdem sah der Club diesen Schritt als Möglichkeit, gerichtlichen Auseinandersetzungen besser entgegentreten zu können. Und das war nötig.
Am 1. August 1986 trat nämlich mit dem zweiten Wirtschaftskriminalitätsgesetz eine Strafgesetzbuchänderung  in Kraft, die das Ausspähen von Daten ebenso unter Strafe stellte wie ihr rechtswidriges Ändern oder die Sabotage von Computern.
In einem Statement erklärte der Club sein Wirken: „Der Chaos Computer Club gilt in der Öffentlichkeit als eine Art Robin Data, vergleichbar mit Greenpeace, Robin Wood und anderen. Spektakuläre Aktionen, wie beispielsweise der Btx-Coup, [Â…] werden als nachvollziehbare Demonstrationen über Hintergründe im Umgang mit der Technik verstanden. Der CCC hat damit eine aufklärerische Rolle für den bewussten Umgang mit Datenmaschinen übernommen. [Â…] Durch dieses Image in der Öffentlichkeit, hat sich der CCC in den letzten Jahren einen Freiraum erkämpft, in dem unter gewissen Voraussetzungen Hacks möglich sind, die Einzelpersonen in arge Schwierigkeiten bringen würden. [Â…] Gleichzeitig besteht wegen der gesellschaftlichen Aufgabe des CCC die Notwendigkeit, einer Kriminalisierung von Hackern entgegenzuwirken.“
Im September 1986 berichtete die Datenschleuder erstmals über Eindringlinge in den Rechner des Forschungsnetzwerkes am CERN, die man im Umkreis des CCC vermutete. Das war der Auftakt der als NASA Hacks bezeichneten Vorfälle, die aber erst im Folgejahr einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurden.
Der dritte Chaos Communication Congress hatte 1986 das Motto “Damit Sie auch morgen noch kraftvoll zubyten können”.
1987 - Offene Netze – Jetzt!
Das Jahr 1987 stand im Zeichen des NASA-Hacks. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stellte mit Hilfe des CCC eine Liste der geknackten Rechner in Europa und den USA zusammen und übermittelte diese an die nationalen Geheimdienste. Es kam zu Strafanzeigen und Hausdurchsuchungen.
Am 15. September 1987 berichtete die  ARD-Sendung Panorama über den Fall.
Im April wurde der maschinenlesbare Personalausweis eingeführt, auch die im Vorfeld vieldiskutierte Volkszählung beschäftigte den CCC 1987. So schrieb der Spiegel: “Geworben wird von den Zahlungsgegnern für eine kaum mehr überschaubare Vielzahl von Verweigerungs- und Sabotagetechniken. Allerorten kursieren bizarre Tips, die dazu dienen sollen, Zähler und Statistiker bei der Auswertung der Fragebögen 'zum Wahnsinn' zu bringen. Reinhard Schrutzki vom Hamburger Chaos Computer Club (CCC) etwa verbreitet Ratschläge, vor deren Befolgung er - offenbar aus juristischen Gründen - zugleich hinterfotzig warnt: Keinesfalls dürfe 'Kaffee versehentlich auf der Befragungsunterlage' verschüttet werden. Unbedingt 'zu vermeiden' sei 'auch Graphitschmiere, wie sie als Einrostschutz für Autoschlösser verwendet wird' - auf die Bögen fein verstrichen, 'könnte sie die Computer an den Rand eines Kollapses bringen'. 'Hoffnungslos überfordert', verbreitet Schrutzki, seien die Elektronenhirne auch, wenn 'vom unteren oder oberen Rand der Formulare kaum sichtbar ein schmaler Streifen abgetrennt' wird: 'Fehlen gar zufällig genau 4,4 Millimeter von der Papierkante, könnte es passieren, daß die Antwortmarkierungen um genau eine Zeile verrutschen.'"
Der vierte Chaos Computer Congress stand  unter dem Motto: Offene Netze jetzt! Eine zentrale Forderung formulierte Jürgen Wieckmann - einer der Mitautoren der Hackerbibel:
„Es bleibt, will man den Informationskrieg vermeiden, nur die Forderung nach Offenen Netzen. Wo Information frei ist, braucht nichts versteckt zu werden, der Psychokrieg um die Verstecke entfällt, denn wir brauchen niemanden, der in vermeintlichen Verstecken schnüffeln muss. Sicherheit durch absolute Offenheit beinhaltet gleichzeitig die für jede Demokratie notwendige Übersicht über die laufenden Entwicklungen. Freie Daten, lautet die Forderung für die Zukunft – und das ist gemeint, wenn Hacker die maschinenlesbare Regierung fordern.“
1988 - ich glaubÂ’ es hackt
Im Jahr 1988 wurde der Sprecher des CCC Steffen Wernery bei der Anreise zu einem Datenschutzkongress in Frankreich verhaftet. Hintergrund war das Eindringen unbekannter Hacker in die Systeme des Philips-Konzerns. Die Firma fühlte sich vom CCC und Wernery erpresst und veranlasste den Zugriff schon auf dem Flughafen. Erst nach zwei Monaten kam Wernery wieder frei. Der Chaos Computer Club suchte weiterhin die Öffentlichkeit. In Fernsehdiskussionen:
Und publizistisch. Die Hackerbibel 2 erschien.
1988 war auch das Jahr, in dem die Hackerinnen zum ersten Mal prominent ihren Platz im CCC einforderten. Als Haecksen veranstalten sie seitdem eigene Projekte. Ziel ist es, das männlich konnotierte Bild des Hackers zu verändern, an die Leistungen von Frauen in der IT zu erinnern und Mädchen an den kreativen Umgang mit Technologie heranzuführen.
Der vierte Chaos Communication Congress stand in diesem Jahr unter dem Motto ich glaub´ es hackt. Erstmals wurde dort das Experiment einer sogenannten Telepublikation gestartet. So konnten Besucherinnen und Besucher per Mailboxsystem live an der Erstellung einer Kongresszeitung mitwirken.
1989 - Offene Grenzen: Cocomed zuhauf
Im März 1989 wurde der sogenannte KGB Hack durch einen Fernsehbericht einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Einige Hacker aus dem Umfeld des CCC hatten in den vorangegangenen Jahren versucht, Informationen an den sowjetischen Geheimdienst zu verkaufen.
Im Juni starb Karl Koch, der an den Hacks beteiligt war, unter mysteriösen Umständen. Er hatte den Hannoveraner Ableger des CCC gegründet.
Der CCC wurde in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmen mit den Spionagefällen in Verbindung gebracht.
Zum Jahresende bekamen nach der innerdeutschen Grenzöffnung erstmals Hacker aus der DDR Zugang zum CCC. Kurzfristig wurde sogar überlegt, den sechsten Chaos Communication Congress unter dem Motto Cocomed zuhauf nach Ostberlin zu verlegen.
Mindestens 50 ostdeutsche Teilnehmer zählten die Veranstalter in Hamburg. Auch der Frauenanteil war mit geschätzten 15 Prozent abermals gestiegen.
Wichtige Themen waren unter anderem: Informationen über Computerisierung und Netzwerkinfrastruktur in der DDR, Zusammenarbeit mit ostdeutschen Computerfreaks, Zusammenarbeit mit Oeko-Gruppen und feminines Computerhandling
Außerdem rief der Verein dazu auf, ungenutzte Computerhardware in die DDR zu spenden. In den folgenden zwei Jahren sollten sich zumindest einige dieser Tagesordnungspunkte im Zuge der Wiedervereinigung von selbst erledigen.
Foto Datenklo: Johann H. Addicks / addicks@gmx.net
Lizenz: GFDL
Eine kurze Geschichte des CCC - die 1980er Video und Titel passen doch gut. Das soll doch...
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