Video: Warum Intels erste CPU nicht Intel gehörte - (Golem Geschichte)

Intel leistete in den 70ern Pionierarbeit und wäre dennoch fast gescheitert. Denn ihren bahnbrechenden 4-Bit-Mikroprozessor wurden sie erst gar nicht los.

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Warum Intels erste CPU nicht Intel gehörte - (Golem Geschichte)

Die Geschichte von Intel begann lange vor der Firmengründung mit der Legende eines Verrats. Im Labor des Nobelpreisträgers William Shockley braute sich 1957 etwas zusammen. Ein Jahr lang hatten die Angestellten unter ihrem autoritären Chef gelitten. Shockleys Paranoia ging soweit, dass er alle Telefongespräche aufzeichnen ließ. Er begann, überall Feinde zu sehen, selbst in seinen jungen Kollegen.

Niemand durfte von den Forschungsergebnissen des jeweils anderen wissen. Eines Tages eröffnete er seinen erstaunten Mitarbeitern gar, dass sie sich allesamt einem Lügendetektortest unterziehen sollten.

William Shockley war nicht irgendwer: Er hatte maßgeblich zur Erfindung des Halbleiters und zur Entdeckung des Transistoreffektes beigetragen. Nun wollte er die Früchte dieser Forschung ernten und ein marktfähiges Produkt entwickeln. Seine wissenschaftlichen Mitarbeiter waren zwar von der Technologie überzeugt - aber nicht von der konkreten Umsetzung und erst recht nicht von seinem Führungsstil.

Einige von ihnen hatten unter höchster Geheimhaltung im Frühjahr 1957 damit begonnen, an Shockleys Stuhl zu sägen. Sie stellten dem Haupt-Investor seiner Firma ein Ultimatum: Entweder der tyrannische Laborleiter würde auf einen Doktorposten abgeschoben und durch einen fähigen Manager ersetzt oder sie würden das Unternehmen Shockley Semiconductor Laboratory verlassen.

Das Zögern des Geldgebers führte schließlich im September 1957 dazu, dass Shockleys wichtigste Mitarbeiter kündigten. Die Namen der sogenannten verräterischen Acht: Gordon Moore, C. Sheldon Roberts, Eugene Kleiner, Robert Noyce, Victor Grinich, Julius Blank, Jean Hoerni and Jay Last. Jeder einzelne von ihnen sollte die Zukunft der jungen Halbleiterindustrie entscheidend prägen. Zwei gründeten im Jahr 1968 Intel: Robert Noyce und Gordon Moore.

Hinzu kam Andy Grove, ein junger Chemiker. Das Geld für Geräte und einen Grundstamm an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hatten die Gründer in Rekordzeit beisammen.

In nur 48 Stunden telefonierte ihr erster Investor zweieinhalb Millionen Dollar Anschubfinanzierung herbei. Noyce und Moore hatten sich in den 10 Jahren seit ihrer Zeit im Labor von Shockley einen Namen in der Industrie gemacht. Eine Anzeige von 1971 kündigte eine neue Ära der integrierten Elektronik an. Auf der Illustration zu sehen sind vier große Schaltschränke, die - wie damals üblich - den Computer repräsentieren. Ein genauerer Blick offenbart, dass die Schränke in Wirklichkeit Computerchips sind. Intel hatte den ersten universell einsetzbaren Mikroprozessor im Portfolio, den 4004.

Dabei gehörte der mit 740 kHz getaktete Chip ursprünglich nicht einmal dem Unternehmen.

Seine Entwicklung begann im Rahmen eines Vertrages mit einem japanischen Hersteller von Tischrechnern. Busicom hatte sich an Intel gewandt, um seine zukünftigen Maschinen mit Logikschaltkreisen auf Halbleiterbasis auszustatten. Das Projekt begann damit, dass einige Japaner bei Intel einzogen, um in den Büros mit Hilfe einiger Ingenieure das Design für die zukünftige Rechenmaschine zu entwerfen. Der Start war mehr als holprig. Zum Entsetzen der Intel-Ingenieure planten die Japaner ein 12-Chip-Monster mit einer Menge komplizierter Funktionen und jeweils drei- bis fünftausend Transistoren. Andererseits sollte Intel vorrangig für die Produktion der Chips bezahlt werden. Das sah nach einem guten Geschäft aus.

Das vorgeschlagene Design hätte den Preis des Rechners jedoch auf 300 Dollar anschwellen lassen. Beiden Firmen war klar, dass das den Untergang von Busicom bedeuten würde. Zu dieser Zeit waren Transistorrechner auf immer mehr Schreibtischen zu finden und die Preise kannten nur eine Richtung: nach unten. In einem verzweifelten Versuch, das Projekt zu retten, schlug ein Intel-Mitarbeiter dem Firmengründer Robert Noyce vor, ein eigenes Design zu entwerfen. Noyce nickte das Projekt ab.

Busicom entschied sich für die Intel-Version. Diese sah lediglich 4 Chips mit jeweils 1.900 Transistoren vor - sie hatte jedoch zwei bedeutende Nachteile. Die Chips existierten zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal auf dem Papier und sie brauchten eine eigene Programmierung.

Das Projekt zog sich mittlerweile weit über die geplante Entwicklungszeit und wurde einem 29-jährigen Ingenieur namens Federico Faggin übergeben. Dieser war gerade erst vor zwei Jahren aus Italien in die USA eingewandert. Er hatte mit der Erfindung des Fertigungsprozesses für Silizium-Gate-Transistoren schon die Grundlage für die neuen Chips geschaffen und wollte die Technologie endlich an komplexen Designs einsetzen.

In zahllosen Nachtschichten entwickelte Faggin nicht nur die Idee zu einem Produkt, sondern erfand fast nebenbei auch noch ein Verfahren, um die verwendeten Logikgatter überhaupt elektrisch zu aktivieren. Am Ende des Sommers 1970 hatten Faggin und der Busicom-Ingenieur Masatoshi Shima ein funktionierendes Design. Es bestand aus dem 4001 (ROM), 4002 (RAM), 4003 (I/O) und dem zentralen 4-bit-Prozessor 4004.

Im Oktober begann die Fertigung bei Intel. Die beiden Ingenieure hatten so gut gearbeitet, dass die Prototypen der ersten drei Chips auf Anhieb liefen. Als dann der 4004 kurz vor Neujahr eintraf, erlebte Faggin eine böse Überraschung. Nicht eine der handvoll winziger Siliziumscheibchen zeigte auch nur den geringsten Funken elektrisches Leben.

Bevor er sich mit dem Schicksal abfand, die Feiertage und die darauffolgenden ersten Wochen des Jahres 1971 mit der Fehleranalyse zu verbringen, beschloss Faggin, sich die Chips noch einmal näher anzusehen - unter dem Mikroskop. Zu seinem Erstaunen fehlte eine komplette Schicht Schaltkreise, die offenbar einem Fertigungsfehler zum Opfer gefallen war. Es dauerte zwar trotzdem noch drei Wochen, bis er neue Prototypen in der Hand hielt, aber zumindest war er sich sicher, dass weder er noch Shima einen größeren Fehler begangen hatten.

Im Februar konnte die Produktion der 4004-Serie endlich beginnen. Inzwischen waren seit dem Projektstart zwei Jahre vergangen. Nun hatte Busicom zwar einen einzigartigen Mikroprozessor, aber kein Geschäftsmodell mehr. Der Markt für hochpreisige Tischrechner war eingebrochen.

Auf Anregung seiner Ingenieure, die das Potenzial des 4004 erkannt hatten, kaufte Intel-Chef Robert Noyce die Rechte an der CPU für 60.000 US-Dollar zurück. Busicom konnte das Design zwar noch für seine Tischrechner nutzen, aber das half nichts mehr: 1973 ging das Unternehmen in Konkurs. Die Japaner hatten das Potential des Chips nicht erkannt.

Aber auch Intel tat sich zunächst schwer damit, den ersten Mikroprozessor als das zu verkaufen was er werden würde: die Basis der digitalen Transformation der gesamten Welt und die Grundlage eines Milliardengeschäfts. Das Problem war, dass sich niemand in der Industrie vorstellen konnte, dass eine handvoll Silizium die Aufgaben eines ganzen Computers übernahm. Eines raumfüllenden, klimatisierten, schrankförmigen Computers. Für 400 Dollar verkaufte Intel die Zukunft, aber bislang hatte das noch niemand verstanden. Es würde noch zwei Jahre dauern, bis mit dem 8080 der Durchbruch gelang - einem Chip, der so erfolgreich war, dass er 16 Jahre lang in Produktion blieb.

Neben Technologieriesen wie Motorola und Texas Instruments waren zu diesem Zeitpunkt längst auch neue Startup-Firmen das Chip-Geschäft eingestiegen. Eine von ihnen war Zilog. Deren Gründer und talentierteste Ingenieure hießen Masatoshi Shima und Federico Faggin. Die beiden hatten Intel verlassen und mit 9 weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine zum Intel 8080 kompatible CPU entwickelt.

Der Zilog Z80 war schneller, billiger und konnte auf einen erweiterten Befehlssatz zurückgreifen. Schon bald konkurrierte er mit Intels Chips in Spielautomaten, Konsolen und Heimrechnern. Anerkennung für ihre bahnbrechende Arbeit am 4004-Design bekamen Masatoshi Shima und Federico Faggin nicht. Ihre Namen wurden für die kommenden Jahrzehnte aus den Annalen der Firma Intel getilgt - in deren Augen hatten sie Verrat begangen.

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