Video: Drive Pilot von Mercedes-Benz im Praxistest
Wir haben uns eine Woche lang freiwillig in den Stau gestellt, um den Drive Pilot von Mercedes-Benz in der Praxis zu testen.
Wie funktioniert das hochautomatisierte Fahren nach Stufe 3 in der Praxis? Um den neuen Drive Pilot von Mercedes-Benz im Autoverkehr zu testen, haben wir uns an mehreren Tagen in und um Berlin absichtlich in den Stau gestellt. Und haben dann versucht, dem Auto das Steuer zu überlassen. Doch damit sich der Drive Pilot aktivieren lässt, müssen viele Bedingungen erfüllt sein.
Man muss sich auf einer Autobahn in einer Stausituation bei einer Geschwindigkeit von weniger als 60 Kilometer pro Stunde befinden. Zudem muss das System ein Leitfahrzeug erkannt haben, das dicht vor einem fährt. Dieses wird im Display mit einem A markiert.
Auf unseren Testfahrten konnten wir in vielen Situationen den Drive Pilot tatsächlich aktivieren. Zunächst leuchten zwei LEDs rechts und links am Lenkrad dann weiß. Drückt man die Tasten, färben sich einige LEDs türkis und der Fahrer kann entspannt die Hände vom Lenkrad nehmen. Zuvor muss aber der Scheibenwischer auf Automatik gestellt werden.
Auf dem großen Zentralbildschirm des EQS werden dann Funktionen freigeschaltet, die normalerweise während der Fahrt gesperrt sind.
So kann der Fahrer Office-Programme starten oder im Internet surfen.
Ebenfalls sind einige Spiele wie Tetris oder Shuffle Puck in dem Entertainmentsystem installiert.
Die Fahrer können natürlich auch irgendetwas auf ihrem Handy machen.
Allerdings ist die Nutzung dieser Systeme auch dann nicht entspannt möglich, wenn der Stau noch länger anhalten wird. Denn sehr häufig verlangte das System unerwartet und spontan die Übernahme der Fahraufgabe durch den Fahrer.
Oft ist der Grund für die Übernahmeaufforderung nicht nachvollziehbar. Es passiert häufig in ganz typischen Stausituationen.
Die Hinweise im Display lauten dann beispielsweise "Baustelle". Auch wenn es gar keine Baustelle gibt.
Oder häufig auch "System zzt. nicht verfügbar"
In einem Fall schaltete sich der Drive Pilot sogar ab, als das Fahrzeug gestanden hat.
In einer der Situationen kam uns ein Lkw auf der Nebenspur recht nahe. Ob das der Grund für die Übernahmeaufforderung war, ist aber unklar.
Gelegentlich ist die Abschaltung aber nachvollziehbar. So beispielsweise in dem Fall, als ein Polizeifahrzeug zu hören war und durch die Rettungsgasse fuhr.
Wenn sich ein Tunnel nähert oder die Strecke aus anderen Gründen für den Drive Pilot nicht geeignet ist, muss der Fahrer ebenfalls wieder das Steuer übernehmen. Bei der geplanten Übergabe leuchten die LED zunächst gelb.
Wird kein vorausfahrendes Fahrzeug auf der Nebenspur mehr erkannt, muss der Fahrer ebenfalls das Steuer übernehmen.
Insgesamt fährt der Drive Pilot sehr vorsichtig. Die größte Herausforderung stellen dabei Einfädelvorgänge anderer Fahrzeuge dar. Dabei kann es zu abrupten Bremsungen kommen.
In anderen Fällen hatten wir den Eindruck, dass der EQS sich absichtlich etwas zurückfallen lässt, um das Einscheren zu ermöglichen. Der Drive Pilot selbst kann hingegen nicht selbstständig die Spur wechseln.
Durch Infrarotkameras auf dem Fahrerdisplay wird die Aufmerksamkeit des Fahrers überwacht. Werden die Augen beispielsweise durch das Handy verdeckt, muss er seine Übernahmebereitschaft durch einen Tastendruck bestätigen.
Insgesamt erscheint uns die Technik noch alles andere als perfekt. Wobei sie in bestimmten Situationen durchaus über eine längere Strecke tadellos funktioniert hat. Aber sie ist zumindest der Einstieg in das autonome Fahren, bei dem der Fahrer tatsächlich das Steuer loslassen darf.
Wer einen Staupilot im Auto hat, wird aber in Zukunft weiter denken: Der beste Stau ist derjenige, den es nicht gibt. Oder der auf der Gegenfahrbahn.