Video: Sega Dreamcast (1999) - Golem retro

Am 9.9.1999 startete Segas letzte Konsole in ein kurzes, aber erfülltes Spieleleben.

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Sega Dreamcast (1999) - Golem retro

Am 9.9.1999 kam in den USA mit der Sega Dreamcast die letzte Spielkonsole der 90er Jahre auf den Markt. Es sollte auch die letzte Spielkonsole von Sega werden. Aber das wusste zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Die Dreamcast überlebte nur 510 Tage, bevor ihre Produktion eingestellt wurde. Es war Segas letzter Versuch, mit eigenen Mitteln eine konkurrenzfähige Heimspielplattform zu etablieren. Die Dreamcast war aber mehr als nur ein weiteres Stück Hardware aus dem Konsolenkrieg der 90er. Das Scheitern der Dreamcast bedeutete das Ende einer Ära - nicht nur für Sega und seine Fans.

Segas Wurzeln liegen auf Hawaii, wo drei Gründer im September 1946 ein Unternehmen für Herstellung und Vertrieb von Münzspielautomaten ins Leben riefen. Service Games - wie die junge Firma hieß - bediente vorrangig die Basen der US-Streitkräfte im asiatischen Raum nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Soldaten brauchten in Friedenszeiten Unterhaltung, das Geschäftsmodell war einträglich. 1965 fusionierte das Unternehmen mit Rosen Enterprises Incorporated - einem anderen in Japan ansässigen Vertrieb für Münzautomaten aller Art. Der Name der neuen Firme: Sega Enterprises.

Schon in den frühen Jahren reagierte Sega immer wieder auf neue Trends: Jukeboxen, Fotokabinen und eigens produzierte mechanische Spiele. Mit einem solchen Automaten landete das Unternehmen 1966 seinen ersten großen Hit: Periscope war eine U-Boot-Simulation mit Schwarzlichteffekten.

Als in den 70er und 80er Jahren mechanische Automaten zusehends von Videospielen verdrängt wurden, stieg auch Sega um und machte sich einen Namen mit qualitativ hochwertigen Arcade-Spielen. Die erste eigene Heimspielkonsole veröffentlichte das Unternehmen zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. 1983 - pünktlich zum Zusammenbruch der nordamerikanischen Videospielindustrie - brachte Sega das SG-1000 auf den Markt. In Japan sah es nicht besser aus: Nintendos Famicom schlug die Sega-Konsole in allen Belangen. Trotzdem verkaufte sich das SG-1000 weltweit geschätzt zwei Millionen Mal. Genug für Sega, um im Konsolengeschäft zu bleiben. Von der verbesserten Variante des SG-100 - dem Master System - konnte Sega 13 Millionen Einheiten absetzen, vorrangig in Märkten, in denen Nintendo weniger aktiv war. Der offene Kampf der beiden Branchenriesen begann in den 1990er Jahren mit dem Sega Mega Drive.

<#gallery dir="1909/dreamcast" artid="143712" pic="1"> Ein regelrechter Glaubenskrieg brach unter der zumeist jugendlichen Kundschaft aus: Sega hatte das coolere Image, Nintendo zumeist die Eltern auf seiner Seite. Allerdings profitierte Sega zusätzlich davon, Exklusivtitel aus den Spielhallen auf den heimischen Fernseher bringen zu können. Die Automaten funktionierten wie eigene Werbekampagnen für die Konsolenversionen. Grafik und Sound konnten zwar nicht ganz mit den Originalen mithalten - aber sie waren längst nicht mehr so weit entfernt wie noch in den 80er Jahren. Auch ein neues Maskottchen hatte Sega inzwischen: neben Sonic, dem frechen Igel, wirkte Super Mario geradezu bieder.

Um den Lebenszyklus der über 30 Millionen verkauften Mega Drives zu verlängern, brachte Sega Zusatzhardware auf den Markt: das 32X verbesserte die Rechenleistung, ein CD-Laufwerk ermöglichte interaktive Filme. Diese Experimente waren einzigartig, scheiterten jedoch und verschwanden innerhalb kürzester Zeit vom Markt. Schlimmer war aber womöglich noch der Vertrauensverlust der Konsumenten: Wenn man sich nicht mehr darauf verlassen konnte, dass die Sega-Konsolen über Jahre hinweg mit frischen Spielen versorgt wurden, dann sah man sich besser woanders um. Und woanders bedeutete ab Mitte der 90er nicht mehr nur Nintendo.

Beim Sprung in die nächste Generation - mit der erstmals Echtzeit-3D-Grafik in hoher Qualität auf heimischen Fernsehern landete - zeichneten sich Segas Probleme immer deutlicher ab. Das Saturn war den Konsolen von Sony und Nintendo in einiger Hinsicht unterlegen, hatte aber beileibe keine schlechte Hardware und war technisch auf dem Stand der Zeit.

Der Videospielemarkt war inzwischen so stark gewachsen, dass es genügend Käufer gab, um drei konkurrierende Systeme am Leben zu erhalten. Segas immer schrillere Werbekampagnen verblassten aber gegen Sonys schiere Übermacht - finanziell und technisch. 1997 bezeichnete selbst der US-Chef von Sega das Saturn als Totgeburt und sprach aus, was viele Fans dachten: Das Saturn ist nicht unsere Zukunft. Wieder einmal hatte Sega das Vertrauen seiner Kunden enttäuscht.

Bald begannen die Arbeiten an einem Nachfolger der gescheiterten 32-Bit-Konsole. <#gallery dir="1909/dreamcast" artid="143712" pic="5">

Die verhältnismäßig kurze Entwicklungszeit und der Kostendruck führten dazu, dass die Dreamcast mit bereits verfügbaren Standardkomponenten geplant wurde. Das hatte auch den Vorteil, dass sich die Programmierung weniger kompliziert gestaltete als beispielsweise beim Saturn mit seinen zwei Prozessoren. Ein Team in den USA und ein weiteres in Japan arbeiteten zunächst unter strengster Geheimhaltung unabhängig an der neuen Plattform. Beide nahmen als Grundlage den Hitachi SH4 als CPU - als Grafikbeschleuniger wählten die Japaner einen PowerVR-Chip, während in den USA eine Voodoo-2-GPU von 3dfx favorisiert wurde. Das stellte sich als Fehler heraus, denn während des Börsengangs von 3dfx kamen die Details des Deals an die Öffentlichkeit - und damit auch die technischen Daten. So entschied das Sega-Hauptquartier in Tokio, dass nur die japanische Variante unter dem Projektnamen Katana weiterentwickelt werden sollte.

Die finale Konsole hatte eine solide technische Basis - sie stellte jedenfalls alle damals verfügbaren Systeme in den Schatten. Die ersten Werbespots zeigten hochauflösende Grafik und Polygonmengen, die sonst nur Spielhallen vorbehalten waren. Diesmal sollten Segas Titel für die Konsole nicht mehr in abgespeckten Versionen erscheinen. Die Arcade-Automaten nutzten sogar in Teilen die gleiche Hardware wie die Heimkonsole.

Anders als beim holprigen US-Marktstart des Sega Saturn gab es bei der Dreamcast von Anfang an ein beachtliches Angebot an Titeln. Rund 20 Spiele von Sega und Drittherstellern waren sofort verfügbar. Darunter einige hitverdächtige wie Sonic Adventure und House of the Dead 2. Aber wohl jeder Käufer hatte ein Spiel auf der Wunschliste: Soul Calibur. Der Vorzeigeprügler sieht auch heute noch gut aus und präsentierte die grafischen Fähigkeiten der Dreamcast aufs Beste. Sie sah sogar besser aus als die Arcade-Version und bot neben 3D-Hintergründen auch eine Ausgabe über den VGA-Port der Konsole. Damit konnte eine wesentlich höhere Bildqualität erreicht werden.

Aber nicht nur der damals einzigartige VGA-Anschluss hob die Dreamcast von der Konkurrenz ab. Sega hatte die einzige aktuelle Konsole mit Modem im Angebot - und damit auch mit Online-Multiplayer-Funktion. Es sollte aber noch gut ein Jahr dauern, bis mit Phantasy Star online der erste populäre Titel erschien, der das Modem praktisch voraussetzte.

Neuartig war auch der Controller - er ähnelte nur in der Form dem älteren Saturn-Pendant. Die Öffnung an der Oberseite ließ den Blick auf das LC-Display der Speicherkarte frei. Die Visual Memory Unit hatte ihren Namen wahrlich verdient - sie konnte neben Informationen zum Spiel auch selbstgestaltete Logos und Animationen anzeigen. Aber das eigentliche Highlight zeigte sich, wenn man die VMU aus dem Controller nahm. Der winzige Sega-Gameboy bot dank einer eigenen Stromversorgung durch eine Knopfzelle einfache Spiele wie damals populäre Tamagotchi-Varianten für unterwegs. Die Datenübertragung von Speicherständen und Charakteren erfolgte durch das Zusammenstecken zweier VMUs.

Unter der Speichereinheit war in einem weiteren Slot Platz für eine zweite VMU oder den Vibrationsmotor. Zwei Kritikpunkte am Controller wurden allerdings schon 1999 laut. Es fehlte ein zweiter Analogstick und das Kabel zur Konsole ragte an der Unterseite heraus.

Trotzdem liegt der Controller auch heute noch gut in der Hand und die Idee der Minispielkonsole zum Einstecken hat nichts von ihrem Charme verloren.

Sega brachte nach und nach noch einige weitere Accessoires auf den Markt - darunter auch einen Angelcontroller. Zu den nützlicheren gehörten Maus und Tastatur. Sie sollten spätestens am Ende des ersten Jahres der kurzen Lebenszeit der Dreamcast wichtig werden. Zunächst konzentrierte sich Sega aber auf die erste Killer-App für die neue Konsole. Und dieser Titel ist durchaus wörtlich zu nehmen. Das Budget für Entwicklung und Marketing von Shenmue betrug damals unerhörte 70 Millionen US-Dollar und trug vermutlich zum allmählichen Niedergang von Sega bei. Mit 1,2 Millionen verkauften Titeln war das ambitionierte Spiel zwar kein Flop - aber es konnte seine Kosten auch nicht ansatzweise decken.

Spielerisch ist Shenmue auch heute noch ein lohnendes Experiment. Es benötigt jedoch viel Zeit, um die detailverliebte Welt mit Tag- und Nachtwechseln, verschiedenen Stadtteilen und der langsam voranschreitenden Geschichte zu würdigen.

Während der folgenden Monate unterstützte Sega seine neue Konsole vorbildlich. In den USA und Europa erschienen rund 60 Spiele, in Japan sogar noch wesentlich mehr.

Nach einem Jahr Dreamcast war es Zeit für den wohl meisterwarteten Titel.

<#gallery dir="1909/dreamcast" artid="143712" pic="2"> Zum Jahreswechsel 2000 erschien Phantasy Star Online weltweit - das erste Konsolenspiel, das fast komplett auf Online-Gameplay angelegt war.

Die Presse lobte PSO, die Spieler liebten es. Viele fanden Freunde auf den virtuellen Kampfschauplätzen und konnten sich dank Tastaturunterstützung mit Sega-Fans aus der ganzen Welt austauschen.

Der Hype um Phantasy Star Online konnte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass Sega in ernsten Schwierigkeiten steckte. Zum einen hatte der Konzern nicht annähernd so viele Konsolen verkaufen können wie angenommen, zum anderen war der Kopierschutz der proprietären GD-ROMs des Systems bald ausgehebelt worden und Schwarzkopien verbreiteten sich.

Dass Sega mit der Dreamcast nicht der erhoffte Befreiungsschlag gelungen war, lag allerdings weniger an der Konsole selbst. Es gab zwar noch immer eine starke Fanbasis, aber viele potenzielle Käufer waren wegen der vorangegangenen kurzlebigen Hardware-Experimente skeptisch. Und dann war da noch das Damoklesschwert, das über der gesamten Lebenszeit der Dreamcast hing: Sonys Playstation 2. Jeder wusste, dass der Unterhaltungsgigant einen abwärtskompatiblen und DVD-basierten Nachfolger für seine äußerst erfolgreiche erste Konsole plante. Nach dem fulminanten Einstieg ins Spielegeschäft konnte sich jeder ausrechnen, dass auch Sonys zweite Playstation den Markt beherrschen würde.

Als es dann am Ende des Jahres 2000 so weit war, sanken die ohnehin schmalen Absatzzahlen der Dreamcast trotz Preissenkungen ins Bodenlose.

Wer allerdings von Anfang an auf die Dreamcast gesetzt hatte, wurde nicht enttäuscht. Sega und einige Dritthersteller boten einen umfangreichen Katalog an wahrlich einzigartigen Spielerfahrungen.

Die Produktion der Sega Dreamcast wurde im März 2001 eingestellt. Es war ein würdiger Abschied. Insgesamt erschienen über 600 Spiele für die Konsole. Wie wichtig die Dreamcast noch immer für die Fangemeinde ist, zeigen die Titel, die nach dem Lebensende der Konsole auf den Markt kamen.

<#video id="23447" title="Sega Dreamcast (1999) - Golem retro"> Das Ende der Dreamcast bedeutete auch das Ende des Konsolenmarktes, wie er sich seit den späten 80er Jahren entwickelt hatte. Mit Sony und später Microsoft stiegen Konzerne mit einem schier unerschöpflichen Budget für Entwicklung und Marketing in das lukrative Geschäft ein. Die Anziehungskraft der Spielhallen verblasste zusehends, der Werbeffekt von Titeln, die dort zu bewundern waren, verpuffte. Die Kosten für neue Spiele überstiegen die 70 Millionen Dollar, die Sega in Shenmue investiert hatte, immer öfter. Publisher setzten deshalb lieber auf eine große Basis an verkauften Konsolen, anstatt Risiken mit weniger starken Plattformen einzugehen. Die Dreamcast verkaufte sich in seinem Produktionszeitraum über 9 Millionen Mal. Zum Vergleich: Die Playstation 2 erreichte 155 Millionen Haushalte.

War die Dreamcast also ein Fehlschlag? Für Sega sicherlich ja - für die Spieler aber war sie ein voller Erfolg.

<#gallery dir="1909/dreamcast" artid="143712" pic="8"> Wer auch heute noch Dreamcast-Titel spielen möchte, hat dazu mehrere Möglichkeiten. Sega hat viele Spiele auf PCs sowie moderne Konsolen wie die Xbox 360, Xbos One und Playstation 3 und 4 portiert. Die Qualität der Umsetzungen schwankt allerdings leider. Zum Glück sind gebrauchte Dreamcast nicht teuer - und auch die Spiele kosten bis auf wenige Ausnahmen relativ wenig Geld. Wir raten zum Original - und Party like it's 1999.

kimyona 11. Sep 2019

Ein "Retro-Remake" dieser Konsole, wäre der Hammer. Wenn gut gemacht, stünde ein solcher...

Kahmu 10. Sep 2019

Wirklich eine der besten und vor allem meist unterschätzten Spielekonsolen die es jemals...


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