Video: (Jack) Alone in the Dark (1992) - Golem retro
Unsere Golem-retro_-Episode zu Alone in the Dark.
Sprechtext
Prolog
In den frühen Neunzigern gab es noch kein Survival-Horror-Genre bei Videospielen. Deswegen sprachen Spieler 1992 von einem Adventure, wenn sie über das gruselige Alone in the Dark diskutierten. Dem Spiel, das den spielerischen Grundriss für Blockbuster wie Resident Evil oder Silent Hill legen sollte.
Handlung
Die Handlung von Alone in the Dark spielte 1925. Als Schauplatz diente das Herrenhaus Derceto, in dem sich der Besitzer Jeremy Hartwood unter mysteriösen Umständen das Leben genommen hatte. Der Spieler übernahm entweder die Rolle von Emily Hartwood, der Nichte des Besitzers oder dem Privatdetektiv Edward Carnby. Spielerisch hatte die Wahl des Charakters keine Auswirkungen, nur die Motive unterschieden sich: Emilys Story war familienbedingt emotionaler, Edward schaute eigentlich nur im Herrenhaus vorbei, weil er für einen Antiquitätenhändler ein altes Piano ausfindig machen sollte.
Beide Protagonisten waren im Herrenhaus eingesperrt und mussten dessen unheimliches Geheimnis lüften, um das Tageslicht wieder zu sehen. Handlung und Kreaturen basierten auf Konzepten aus Romanen von H.P. Lovecraft. Einige Auszüge der im Spiel zu findenden Bücher stammen sogar eins zu eins aus den Werken des Science-Fiction-Autors.
Aus heutiger Sicht
Fast alle Spieler entschieden sich in den Neunzigern wohl für Edward Carnby als Charakter. Anders ist es nicht zu erklären, dass Carnby nach dem Erfolg des ersten Alone in the Dark zum einzigen Serienprotagonisten aufsteigen sollte. Dabei ist die Auswahl zwischen einer männlichen und weiblichen Hauptperson aus heutiger Sicht als äußerst progressiv anzusehen. Doch auch wenn sich dieses Feature vorerst nicht in der Spielewelt durchsetzte, sollte Alone in the Dark beim Gameplay Pionierarbeit leisten.
Die seltenen aber dafür umso bedeutsameren Kämpfe waren wegen der extrem langsamen Animationen nervenaufreibend. Mit gedrückter Leertaste brachte sich der Spieler in Kampfhaltung. Mit den Pfeiltasten konnte er darauf einen schnellen linken und stärkeren rechten Haken schlagen oder besonders kräftig zutreten. Auf ähnliche Weise kamen die Waffen zum Einsatz: ein Schwert, ein Gewehr, ein Bogen und ein Revolver.
Das Inventarsystem hatte einen realistischen Anspruch. Alle Gegenstände besaßen ein nicht näher definiertes Gewicht und die Akteure konnten anders als beispielsweise Helden in den Adventures von Lucas Arts nicht unendlich viel tragen. Dadurch waren Spieler dazu gezwungen Gegenstände abzulegen oder wegzuwerfen. Besonders das Werfen war spielerisch bedeutsam: So musste zum Beispiel eine Ritterrüstung mit einer schweren Statue zerschmissen werden. Dabei gingen fragile Gegenstände wie Spiegel oder Krüge auch kaputt. So konnte es passieren, dass Rätsel und gleichzeitig das ganze Spiel unlösbar wurden. Einen Game-Over-Bildschirm präsentierte Alone in the Dark dafür aber nicht. Stattdessen tapsten Spieler weiter im Dunklen, bis ihnen bewusst wurde, dass sie einen alten Spielstand laden oder von vorne beginnen mussten.
Abgelegte Gegenstände blieben an Ort und Stelle und konnten später wieder aufgenommen werden. Die Lebensenergie hatte kein Maximum und stieg auch über den anfänglichen Wert von 20. Die Aktionen der Charaktere mussten stets mühsam über ein Untermenü angewählt werden. Das war zwar nervig, brachte aber Komplexität. Spieler konnten zum Beispiel Möbel verrücken und dadurch Kämpfe vermeiden und später auch springen.
Um auf die Lösungen für die Rätsel des Herrenhauses zu kommen, galt es, Bücher und Notizen nach Hinweisen zu durchforsten. Für jede Kopfnuss gab es stets den passenden Hinweis. Manche Rätsel waren trotzdem ziemlich abstrus und schwer zu lösen.
Es gab also viele Gründe nach jedem kleinen Detail die manuelle Speichermöglichkeit von Alone in the Dark zu nutzen. Der Tod oder zumindest das Spielende lauerte hinter jeder Ecke. Die Atmosphäre fesselte Spieler durch professionelle Sprecher, immersive Geräusche und einen dynamischen Soundtrack allerdings vor den Monitor, so dass das regelmäßige Speichern häufig vergessen wurde.
Nachfolger und Einfluss
Nach der erfolgreichen Flucht von Derceto veröffentlichte Publisher Infogrames zuerst eine kleine Weihnachtsdemo mit dem Namen Jack in the Dark. Hier waren Spieler in einem Spielzeugladen eingesperrt und mussten den Weihnachtsmann befreien. Jack in the Dark war ursprünglich als Technikdemo für die Grafikengine gedacht, die auf 3D-Polygone auf zweidimensionalen Hintergründen setzte. Später wurde sie allerdings zur Demo-Version für den zweiten Serienteil umprogrammiert und der CD-Fassung von Alone in the Dark beigelegt.
Das zweite und dritte Alone in the Dark waren klassische Nachfolger im besten Sinne. Sie boten vielleicht nicht so eine fesselnde Atmosphäre wie der erste Teil, waren dafür aber spielerisch etwas ausgewogener und weniger ungelenk. Nach Alone in the Dark 3 wurde es still um die Serie, Publisher und das Entwickler gingen getrennte Wege.
Das war die Chance für das Team von Shinji Mikami bei Capcom die Konzepte von Alone in the Dark zu nehmen und Biohazard, alias Resident Evil zu kreieren. Viele Ideen von Alone in the Dark finden sich in Resident Evil wieder. Die Steuerung ist ähnlich fummelig und Spieler fühlen sich auf die gleiche Art und Weise verwundbar. Auch in Resident Evil suchen die Helden primär nach Schlüsseln und Hinweisen in Dokumenten. Das Gameplay ist durch deutlich mehr Feinde und ein größeres Waffenarsenal allerdings deutlich actionreicher.
Noch bevor Alone in the Dark 2001 und 2009 zwei Mal mehr oder weniger erfolgreich neu interpretiert werden sollte, nahm vor allem Silent Hill das Survival-Horror-Genre in eine andere Richtung. Auch in Silent Hill finden sich viele Elemente aus Alone in the Dark. Team Silent von Konami gelang es allerdings die Psyche und den Horror den Köpfen der Charaktere stärker zum Ausdruck zu bringen.
Alone in the Dark heute spielen
Die Steuerung von Alone in the Dark ist heute genauso widerspenstig wie 1992. Doch wer sich einmal an die trägen Tritte und lahmen Drehungen gewöhnt hat, kann auch heute noch tief in diesem Gruseladventure eintauchen. Zugegeben: Die Grafik ist kein Hingucker mehr und der umständliche Umweg für Handlungen über das Menü sorgt heute für Stirnrunzeln. Durch seine kompakte Länge von etwas mehr als einer Stunde Durchspielzeit, wenn man weiß, was man tut, legen wir diesen Genre-Pionier aber auch heute noch guten Gewissens Spielern ans Herz. Und wem der Ausflug ins Derceto-Herrenhaus zu gruselig erscheint, der rettet eben in Jack in the Dark geschwind den Weihnachtsmann.